nelkenstrasse_2008-2011

1980-1990

1980 – 1990

Ein Rückblick über 4 Jahrzehnte KIKRI

Die Pionierzeit von 1972 bis Mitte der 1980er Jahre

Mein Dank geht zuerst mal an Gerold Löwensberg, Edith Dietrich, Lena Sundström und Christina Achermann, die mir für die ersten Jahre breite Informationen geliefert haben. Mein Dank geht aber auch an Antonio (Tonino) Greco, der mir heute als erster Präsident des Vereins KIKRI-ETH das Gründungsprotokoll zu Handen des KIKRI-Archivs übergeben hat. Ich selber war erst ab 1979 in die Geschichte der KIKRI involviert, anfänglich als Elternteil und dann rund sieben Jahre lang als Vorstandsmitglied: zuerst gemeinsam mit meinem Ehemann Peter Seiler zuständig für das Dossier Personal, später dann als Präsidentin – übrigens als erste Frau in diesem Amt.

Kinderkrippen – vom Notnagel zum emanzipatorischen Projekt

Als Historikerin möchte ich kurz den Kontext, das gesellschaftliche Umfeld umreissen, das zur Gründung der KIKRI führte. Kinderkrippen gab es in der Schweiz seit dem 19. Jahrhundert. Sie waren vorwiegend für die Kinder von Fabrikarbeiterinnen gegründet worden, insbesondere im Bereich der Textilindustrie. Interessiert waren sowohl die Unternehmer, um die Frauen und ihre Familie an den Betrieb zu binden, als auch die Fabrikarbeiterinnen selbst. Im allgemeinen Verständnis galten Kinderkrippen als Notnagel, d. h. wenn die Situation der Familie eine ausserhäusliche Erwerbstätigkeit der Mutter als unabdingbar für die Existenzsicherung erachtet wurde. Denn nach bürgerlicher Idealvorstellung wurden die ausserhäusliche Erwerbstätigkeit und die Betreuung der Familie als nicht kompatibel gesehen. Daher galt die Betreuung in Krippen nur als Notlösung, d. h. sie waren lediglich zur Milderung der Not akzeptabel.

Diese Vorstellungen wirkten auch noch in den 1960er Jahren. Frauen, die aus gehobenen Kreisen einer ausserhäuslichen Erwerbsarbeit nachgingen, beispielsweise als Ärztin oder Architektin, suchten eine private Lösung, mehrheitlich durch Hausangestellte, nicht selten durch die Anstellung einer speziell für solche Aufgaben ausgebildete Nanny. Sicher aber schickten sie die Kinder nicht in die Krippe.

Erst die 68er Bewegung, welche die herrschenden Verhältnisse grundlegend in Frage stellte, und die in ihrem Gefolge entstandene neue Frauenbewegung führten zu einer grundlegenden Kritik an der Rollenteilung und der damit einhergehenden einseitigen Zuständigkeit der Frauen für Haus und Familie. Im Zeichen der anti-autoritären Erziehung lehnten sie zugleich straffe Normen und Diszplinierungsmassnahmen ab. So gründeten nach dem Beispiel der Kinderladenbewegung in Deutschland auch in Zürich Mütter und Väter autonome Projekte zur Betreuung ihrer Kinder. Vor allem aus Kreisen von Studierenden sowie jungen Akademikerinnen und Akademikern kam die Forderung nach Betreuungsplätzen, um insbesondere Frauen Studium, Forschung und Erwerbstätigkeit trotz Kindern zu ermöglichen. Die wegen der Universität und der ETH nach Zürich gezogenen Studierenden konnten in der Regel nicht auf die Hilfe von Müttern und weiblichen Verwandten zurückgreifen. Auch wollten und konnten sie sich keine private Lösung leisten. Einerseits kam die von der Universität mitgetragene Uni-Kinderkrippe, eine Genossenschaft unter dem Matronat der Politikerin Emilie Lieberherr – sie hat sich gesamtschweizerisch 1969 auf dem Bundesplatz für ihr unerschrockenes Eintreten für das Frauenstimmrecht einen Platz in der Geschichte gesichert – der Forderung der Studierenden und jungen Akademikerinnen entgegen. Anderseits entstanden freie, vorwiegend von Eltern finanziell und durch aktive Mitarbeit getragene Ganztages-Kindergärten, die autonomen „Chindsgi“-Projekte von antiautoritärem Charakter, so in Gebäuden der Universität an der Rämistrasse und an der Plattenstrasse. Diese Eltern standen grossmehrheitlich der Neuen Linken nahe, waren Teil dieser aufmüpfigen 68er Bewegung. So auch einige der aktiven Initiant:innen der KIKRI wie beispielsweise der Chemiker und erste KIKRI-Präsident Tonino Greco, der Mitglied der FSZ, der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich, war. Die KIKRI war damals ein Mittelding zwischen einer Kindertagesstätte und einem autonomen Kinderladen. Sie entstand auf Initiative von unten, der Eltern, doch mussten diese nicht den ganzen Tag über den Betrieb mittragen, sondern fungierten, wie auch heute noch, als Unterstützung der angestellten Betreuerinnen und
Leiterinnen.

Die ersten 15 Jahre – die Pionierzeit der KIKRI

Weniger als ein Jahr nach der Gründung des Vereins „KIKRI-ETH“ am 11. November 1971 wurde das alte Haus an der Hochstrasse – ein ETH-Institutsgebäude – bezogen. Nach einem kurzen Zwischenhalt in einem weiteren ETH-Institutsgebäude an der Nelkenstrasse zügelte die KIKRI Mitte 1977 dann in das Haus an der Clausiusstrasse. Es war ein wunderbares, altes, verwinkeltes mehrstöckiges Haus, das später dem Neubau weichen musste. Was die KIKRI auszeichnete, war u. a. die klare Struktur des praktischen elterlichen Beitrags: das Hüten über Mittag, die Vollversammlung, die den Vorstand wählt, dessen Mitglieder für bestimmte Aufgaben zuständig waren, so wie das immer noch der Fall ist.

Anfänglich wurden in der KIKRI etwas mehr als 20 Kinder betreut. Die Eltern hatten mehrheitlich einen direkten Bezug zur ETH, aber es gab unter ihnen seit allem Anfang an auch Nicht-ETH-Angehörige. Die Planung, den Aufbau, die Organisation des Betriebs im ersten Jahr, all dies machten vorwiegend ETH-Angehörige mit kleinen Kindern, insbesondere Vertreter:innen des Mittelbaus, also Assistent:innen und Wissenschaftler:innen, sowie Studierende. Ich möchte im folgenden nur einige wenige dieser sehr aktiv engagierten Eltern der Gründer:innengeneration namentlich erwähnen: Evelyn Lenz, Vertreterin der studentischen Organisation VSETH; Bruno Fritsch, Professor für Nationalökonomie und Co-Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung an der ETH Zürich; Edith Dietrich von der Abteilung Sport, und ihr Ehemann, der Bauingenieur Karl Dietrich; das Ehepaar Marianne und Max Knus, letzterer inzwischen emeritierter Professor der Mathematik; der Ökonom und Sozialswissenschaftler Alex Melzer, Begründer des Nadels, und seine Frau Lena Sundstroem, Physiotherapeutin; Gerold und Gret Löwensberg, Architekt und Architektin; Klaus und Roswitha Zimmermann, von der Architekturabteilung auch sie. Klaus Zimmermann fungierte später über Jahre als Präsident des KIKRI-Vereins. Ganz allgemein waren Vertreter:innen der Architekturabteilung unter den Eltern stark vertreten, bedingt durch den relativ bedeutenden Anteil an Frauen unter den Studierenden, mehr noch aber durch das eher linke Selbstverständnis der Architektura, des Verbands der Architekturstudierenden, der sich in der 68er Bewegung engagierte.

Die Eltern der ersten KIKRI-Kinder leisteten auch ganz praktische Arbeit: Sie strichen die Räume, spendeten Spielsachen, überhaupt sehr viel Material, halfen mit, wo immer es notwendig war. In der Krippe wurden Kinder von ETH-Angehörigen aller Hierarchiestufen betreut: von Studierenden, Putzleuten, Angestellten der Administration, Professoren, Assistent:innen und Wissenschaftler:innen. Eine der ersten Leiterinnen war die Holländerin Anne Mike – der Nachname ist mir leider nicht bekannt. Auch sie hatte über ihren Ehemann einen direkten Bezug zur ETH. Unterstützt wurde sie von weiteren Mitarbeiterinnen, von jungen Frauen, die sich hier zur Kleinkindererzieherinnen ausbilden liessen, und von Praktikantinnen.

Die Zeit von 1975 bis 1985

Diese Jahre waren geprägt von den KIKRI-Leiterinnen Christina Achermann und Angelika Wacker, später von Anna Leiser, Margrit Christen und Ingrid Stoll, letztere hatte schon früher in der KIKRI in leitender Funktion gearbeitet. Nach dem Umzug der Krippe in die Clausiusstrasse wurden immer um die 30 Kinder betreut, aufgeteilt in drei bis vier Gruppen. Da ich diese Jahre mehrheitlich miterlebt habe, kann ich auch die Atmosphäre wiedergeben: Sie war weiterhin geprägt von Enthusiasmus und neuen Ideen, vom engen freundschaftlichen Austausch zwischen Eltern, Betreuerinnen und Leiterinnen. Denn die KIKRI verstand sich nicht einfach als Dienstleistungsangebot, sondern als ein von den Involvierten selbst definiertes und im Austausch zwischen ihnen aufgebautes und getragenes Projekt. Der Austausch war bestimmt durch Empathie, Rücksicht und gegenseitigen Respekt. Unter den Eltern bestand ein freundschaftlicher Zusammenhalt.

Zu Beginn wurden noch Kinder unter einem Jahr betreut. Der Mittagsschlaf im untersten Zimmer war für die kleineren selbstverständlich. Mit der Zeit stieg jedoch das Eintrittsalter tendenziell Richtung zwei Jahre. Die meisten Kinder blieben bis zum Übertritt in die Primarschule in der KIKRI, die älteren Kinder waren am Morgen in der so genannten Vorschule. Immer wieder wurden Grenzen in vielfachem Sinn überschritten: Man ging raus, in den Wald, an den See. Je nach Wetter fuhr man zum Baden immer wieder bis nach Küsnacht, eingepfercht im kleinen Renault-4 und/oder in einem 2 Chevaux eines Elternteils. Man weitete den Bewegungsradius aber auch je nach Thema aus, besuchte eine nahe Bäckerei, spazierte mal unter dem Thementitel „Zigeuner“ in den bewegten 1980er Jahren zu Fuss samt Leiterliwagen in die Rote Fabrik. Zum Turnen ging es in der grossen Turnhalle unter der Mensa, wo die kleinen zum Teil noch in den Windeln unter den Blicken von Studierenden ihre Runden im riesigen Raum drehten. Einmal jährlich verbrachte man zusammen – Eltern, Kinder und Betreuende – ein Wochenende, zuerst auf dem Randen, in einem Naturfreundehaus an der Schaffhauser Grenze zu Deutschland, dann – wie heute noch – im Möösli, dem in der Zwischenkriegszeit von der sozialistischen Jugend ins Leben gerufene Kinderhaus auf dem Albis. Unvergesslich bleiben mir das unbeschwerte Spielen, die Faszination des Teiches und der vielen Molche.

Dieses Grenzenlose und Pionierhafte war möglich, weil der Rahmen bestimmt war durch fest definierte Strukturen. Diese zeigten sich nicht nur in der klar geregelten Mitarbeit der Eltern und im Tagesablauf, sondern auch in den regelmässigen Ritualen wie dem „Räbeliliecht“-Umzug und der Begegnung mit dem Samichlaus draussen im Wald oder der Fasnacht auf der Polyterasse, dem Lindenhof und im Niederdorf. Ebenso sorgten die Regeln beim Essen, die Rituale bei Geburtstagen für eine gute Orientierung im Alltag. Die auch für die Kleinen erfahrbare Verortung im Haus und in den Gruppen vermittelte Sicherheit. Denn seit der Gründung der KIKRI galt die Devise: Freiheit und Halt zugleich. Diese Mischung zeigte sich im Recht zum „Drecklen“ und im Garten auch zum „Blütlen“, das Recht alle Sinne zu entfalten, Tiere zu halten wie die Chüngel oder Bibeli auf der Terasse im Erdgeschoss. Auseinandersetzungen zwischen den Kindern galt es zu akzeptieren und dennoch den Jüngeren Schutz zu gewähren. Oder wie es Ursina Jakob in Bezug auf Angelika Wacker formulierte: Pädagogin sein heisst Kinder zu begleiten im Die-Welt-Entdecken. Angstfrei, selbstbewusst, nicht normativ, nicht didaktisch, dennoch geplant. Rückblickend ist es äusserst bewundernswert, wie sich diese damals noch jungen Frauen engagierten, mit Herz und Geist, als ganze Person. Christina Achermann war 25, als sie 1975 an der KIKRI zu arbeiten begann, und alle mit ihrer spontanen Unternehmenslust und nie erlahmendem Vertrauen in die Kinder anzustecken wusste. Angelika Wacker – aus dem Ruhrpott wegen der Liebe zum jungen Architekturstudenten Beat Wacker nach Zürich gezogen –, wusste in ihrer Position als junge Leiterin und Mutter zugleich, voller strahlender Frische Eltern, Kinder und Mitarbeitende zu animieren.

Nachhaltige Leistungen im strukturellen Bereich

Wie bereits gesagt, hat sich die KIKRI als Verein konstituiert, getragen von den Eltern, die mit ihrem Beitrag den Betrieb zum Teil finanzierten. Betreuerinnen und Leiterinnen wurden aus der Vereinskasse bezahlt. Bedeutend war aber auch der wachsende Beitrag der ETH, nicht nur in Form der zur Verfügung gestellten Liegenschaft, sondern auch in Form der Entlöhnung von Lehrtöchtern, Lehrlingen und Praktikant:innen. Denn dieser Lohn war vergleichsweise hoch, weil von den jungen Mitarbeitenden seit dem ersten Tag der Ausbildung eine grosse Verantwortung erwartet wurde. Die Wahl der Auszubildenden erforderte daher höchste Sorgfalt. Diese waren vergleichsweise alt, denn sie konnten die Lehre erst als Erwachsene antreten, nachdem sie ein langes Praktikum absolviert hatten.

In diesem Bereich hat die KIKRI Pionierhaftes vorzuweisen: Sie hat als erster Betrieb im Zürcher Umfeld – wahrscheinlich sogar auf Schweizer Ebene – Lehrlinge, also junge Männer zu Kleinkindererziehern ausgebildet. Bis dahin war Kleinkindererziehung ausschliesslich ein Frauenberuf. Nun wurde im Turnus immer abwechselnd eine Frau und ein Mann in zweijähriger Lehre ausgebildet, so dass jeweils zwei Männer in der KIKRI arbeiteten: ein Lehrling und ein Praktikant, da ja das Praktikum Voraussetzung für die Lehre war. Mitte der 1970er Jahre hiess der erste Lehrling Philippe, ihm folgte nach zwei Jahren Bruno, dann Markus Marti, der nun seit langem zusammen mit seiner Frau Christina die Krippe im Riedtli leitet. Unterstützt werden sie von der Mitarbei- terin Laura Küttel, die schon als ganz kleines Kind in der KIKRI betreute wurde und hier dann als junge Erwachsene die Ausbildung zur Klein- kindererzieherin gemacht hat.

Pionierhaftes leistete die KIKRI auch im Bereich der Sozialversicherung durch den Ausbau des Engagements der ETH. Der pri- vate Elternverein war für den Lohn der Leite- rinnen zuständig. Das hiess, auch für die Ent- löhnung während eines allfälligen Schwanger- schaftsurlaubs aufzukommen, und zwar den Lohn der Gebärenden wie auch ihrer Vertre- tung zu zahlen. Da Christina Achermann und Angelika fast gleichzeitig schwanger wur- den – für Christina war es die erste, für Ange- lika Wacker die zweite Schwangerschaft –, bedeutete das für den Vorstand vor allem mal eines: rechnen. Und es schien aufzugehen, die angehäuften Reserven genügten. Doch dann musste Angelika Wacker während vie- ler Wochen ihrer Schwangerschaft liegen. Die monatelange Finanzierung ihres Lohnes sowie desjenigen ihrer Vertreterin hätte die Möglich- keiten des KIKRI-Vereins bei weitem überstie- gen, er wäre schlicht bankrott gegangen. Eine Krankengeldversicherung für das fest ange- stellte Personal wäre buchstäblich viel zu teuer zu stehen gekommen, da das Risiko eines klei- nen Betriebs mit lediglich zwei jungen Lei- terinnen für die Versicherungen als ein äus- serst hohes galt. Doch für den Vorstand und alle Eltern stand es ausser Diskussion, sowohl Angelika Wacker – auch welchen Weg auch immer – für die KIKRI zu erhalten, das heisst ihren Lohn auch während der monatenlangen Abwesenheit zu begleichen – als auch gleich- sam für eine ähnliche Situation vorzusorgen. In dieser Lage erwies sich die ETH als ansprech- bare Partnerin, und zwar dank dem höheren Beamten in der Personal-Administration, der neben seinen vielen Aufgaben nebenbei auch für die KIKRI zuständig war. Sein Name ist mir entfallen, seiner Freundlichkeit erinnere ich mich bestens. Jederzeit konnten die KIKRI-Lei- terinnen oder Vertreter:innen des Vorstands bei ihm anklopfen und in freundschaftlichem Austausch die Probleme und Anliegen bespre- chen. Es gelang ihm jeweils, eine Lösung zu fin- den. Immer wieder liess er sich für Vorschläge begeistern – beispielsweise für den Vorschlag, während mehrerer Wochen mit einer Ausstel- lung und der täglichen Präsenz von KIKRI- Kindern im Lichthof der ETH das zehnjähri- gen Jubiläum zu feiern und öffentlich zu mar- kieren. Dank seiner Bemühungen wurden in dieser schwierigen finanziellen Lage die fest angestellten KIKRI-Leiterinnen bezüglich Mut- terschaftsversicherung ins ETH-Personal inte- griert, das heisst, die Hochschule behandelte sie diesbezüglich wie die ETH- Angestellten, obwohl sie effektiv rechtlich Angestellte des privaten KIKRI-Vereins waren.

Von nachhaltiger Wirkung war auch das Engagement der Stadt beziehungsweise des städtischen Sozialamts. Mit der Zeit waren rund die Hälfte der KIKRI-Eltern nicht mehr ETH-Angehörige. Diese engagierten sich jedoch ebenso sehr für die KIKRI, entrichteten aber bedeutend höhere Beiträge. Sie zahlten unabhängig von Einkommen und Vermögen den vollen kostendeckenden Betrag für die Betreuung ihrer Kinder, während die Beiträge der ETH-Angehörigen den unterschiedlichen Einkommen entsprechend abgestuft waren. Gerade für Studierende von Fachhochschulen oder der Universität ohne oder mit nur gerin- gem Einkommen bedeutete dies eine äusserst grosse Belastung. Weil die Stadt seit dem 19. Jahrhundert die Kinderkrippen des gemeinnüt- zigen Frauenvereins subventionierte – dieser betrieb ausserhalb der im Gefolge von 1968 gegründeten Kindertagesstätte fast alle Krip- pen in Zürich –, konnte dieser die Beiträge je nach Einkommen berechnen. Nun forderte der KIKRI-Vorstand von der Stadt Gleichbe- handlung ein, da auch der KIKRI-Verein wie der Frauenverein ein privatrechtlicher Verein sei. Nach Verhandlungen erklärte sich das Sozialamt schliesslich bereit, dass die Nicht- ETH-angehörigen Eltern bezüglich abgestufter Beiträge den ETH-Angehörigen gleichgestellt wurden, die Stadt beglich für diese die Diffe- renz. Sich auf das Vorbild KIKRI berufend, for- derten Jahre später auch andere freien Krip- pen Gleichbehandlung, als erster – so viel ich weiss – der „Plattenchindsgi“ an der Plattens- trasse. Inzwischen gilt das Modell für alle Krip- pen, d. h. ebenso für die vielen neu eröffneten Krippen, die privaten wie die öffentlichen, als auch für die schon „alten“ Krippen des Frau- envereins. Auch deren Krippen werden nicht mehr einfach subventioniert, sondern die städ- tischen Beiträge werden einzeln für die betreu- ten Kind berechnet.

Mit Engagement in die Zukunft

Diese Entwicklung spiegelt auch den gesellschaftlichen Wandel bezüglich der Hal- tung gegenüber der Erwerbstätigkeit von Müt- tern. Heute ist Krippenbetreuung kein Notna- gel mehr, sondern gesellschaftlich akzeptiert, wenn auch nicht finanziert und institutiona- lisiert. So bedeutet eine Betreuung ihrer Kin- der in einer Krippe für viele Eltern immer noch eine hohe Belastung. Und das gilt auch unab- hängig davon, dass der Bund Anschubfinanzie- rungen leistet und sich Grossunternehmen an der Finanzierung einzelner Betreuungsplätze beteiligen, um mit dem Angebot von Krippen- plätzen hoch qualifizierte weibliche Arbeits- kräfte als Mitarbeiterinnen zu gewinnen bezie- hungsweise zu behalten. Wie in Zukunft die Frage der steigenden Nachfrage nach Krip- penplätzen nicht einfach dem freien Markt überlassen werden soll, um die Qualität der Ausbildung sowie der Status und die Arbeits- bedingungen der Mitarbeitenden zu sichern, das ist immer noch politisch auszuhandeln. Das verlangt weiterhin Engagement, nicht nur von der öffentlichen Hand, sondern auch von Eltern.

Mit der Beibehaltung der alten, seit 40 Jahren wirksamen und langsam ausgebau- ten Strukturen vereinigt die KIKRI in ihrer Geschichte verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen dieser letzten vier Jahrzehnte,
sie spiegelt das Pionierhafte ebenso wie das Selbstverständliche. Das neue Gebäude, der Einsatz der Eltern, der Leitung und der Mitar- beitenden verspricht in diesem Sinn weiteres zukünftiges vorbildhaftes Gedeihen.

Elisabeth Joris, KIKRI Elternteil ab 1979, später 7 Jahre Vorstandsmitglied. Beitrag anlässlich des 40jährigen KIKRI Jubiläums verfasst.

KINDERSAND

KIKRI Garten ca. 1982
KIKRI Garten ca. 1982

Das Schönste für Kinder ist Sand.
Ihn gibt‘s immer reichlich.
Er rinnt unvergleichlich
Zärtlich durch die Hand.

Weil man seine Nase behält,
Wenn man auf ihn fällt,
Ist er so weich.
Kinderfinger fühlen,
Wenn sie in ihm wühlen,
Nichts und das Himmerlreich.

Denn kein Kind lacht
Über gemahlene Macht.

Joachim Ringelnatz,
1883-1934, deutscher Schriftsteller

Beitrag von Christine Achermann, ehemalige Mitarbeiterin